Die neue Heißzeit Spurensuche in der Vergangenheit
Pflanzen und Tiere
Umweltbelange (D 2022)
Das Klima unseres Planeten ändert sich rasant. Forschende warnen vor einer lebensfeindlichen Zukunft. Was auf Pflanzen und Tiere zukommen könnte, zeigen neue Einblicke in die Erdgeschichte. Auf der Erde herrschten bereits früher extreme Klimaphasen. Besonders für eine sogenannte Superheißzeit vor 56 Millionen Jahren interessiert sich die Wissenschaft: Fossilienfunde aus dieser Epoche zeigen, wie tiefgreifend sich Ökosysteme damals verändert haben. Im unwirtlichen Niemandsland des Bighorn Basin in Wyoming suchen die Paläobotanikerinnen Vera Korasidis und Ellen Currano Fossilien von Pflanzen aus der Heißzeit vor 56 Millionen Jahren, dem sogenannten Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum, kurz PETM. Ihre Funde zeichnen ein klares Bild: Damals wurde aus einer grünen Landschaft, in der Flussauen und Mischwälder dominierten, innerhalb kurzer Zeit ein subtropisches Trockengebiet. Weltweit verschoben sich in dieser Phase Vegetationszonen um mehr als 1000 Kilometer polwärts. Die Arktis und Antarktis waren teilweise bewaldet. Und: Es kam vermehrt zu Extremereignissen – die Funde der Forscherinnen zeigen, dass Buschbrände und Sturzfluten zunahmen. Könnte sich in einer neuen Heißzeit die Pflanzenwelt erneut so tiefgreifend verändern und mit ihr die Lebensgrundlage aller Tiere und Menschen? Tatsächlich erleben wir derzeit den Beginn vergleichbarer Entwicklungen. In ihrem Zentrum stehen – wie ein Frühwarnsystem – die Wälder der Erde. In Deutschland, dem waldreichsten Land Europas, hat der Umbau vieler Wälder schon begonnen. Im Harz, einem deutschen Mittelgebirge, lässt Förster Michael Rudolph von Trockenheit geschädigte Waldflächen roden, um dem Borkenkäfer die Nahrung zu entziehen. Auf freien Flächen pflanzt er neue Baumarten an, die – so die Hoffnung – den zukünftigen Bedingungen trotzen können. Das Problem: Wie die genau aussehen werden, kann niemand verlässlich vorhersagen. Dabei brauchen wir die Wälder dringend. Als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, aber auch, um dem Klimawandel selbst entgegenzuwirken. Wälder sind wichtige CO2-Senken. Sie brauchen das Treibhausgas zum Wachsen, sie ziehen es aus der Atmosphäre und lagern es als Kohlenstoff ein – in Blättern, Ästen, Stamm und Wurzeln. Aber können sie das auch noch in Zukunft? In Australien leitet der Pflanzenphysiologe David Ellsworth von der Western Sydney University ein einzigartiges Experiment. Die Forscher begasen über ein Rohrsystem Teile eines Eukalyptuswaldes mit CO2-Konzentrationen, wie sie zuletzt in einer Heißzeit vor 16 Millionen Jahren, im Miozän, herrschten – und wie sie Mitte des Jahrhunderts wieder herrschen könnten. Er will damit die bislang geltende Theorie testen, dass Wälder umso mehr CO2 aufnehmen, je mehr in der Atmosphäre ist. Das Ergebnis: Zwar nehmen die Versuchsbäume tatsächlich mehr CO2 auf als die Vergleichsbäume, doch statt ihn als Kohlenstoff einzulagern und schneller zu wachsen, geben sie über Austauschprozesse im Boden auch wieder mehr CO2 ab als zuvor. Ein Effekt, den Klimaprognosen bislang zu wenig berücksichtigt haben. Auch die Aufnahmekapazität der größten Kohlenstoffspeicher an Land, die tropischen Regenwälder Südamerikas und Afrikas, stößt an ihre Grenzen – sogar in bislang völlig unberührten Regionen. Der Grund: Das zusätzliche CO2 in der Atmosphäre lässt die Bäume zwar schneller wachsen, aber wegen zunehmender Hitze und Trockenheit sterben sie auch schneller und verrotten – und geben dabei CO2 ab. So könnten die tropischen Regenwälder in Zukunft den Klimawandel sogar beschleunigen. Umwälzungen in der Vegetation der Erde haben in allen Lebensräumen auch gravierende Konsequenzen für Tiere. Der US-Paläontologe Philip Gingerich von der University of Michigan hat im Bighorn Basin eine erstaunliche Form der Anpassung gefunden: Säugetiere, wie die einst verbreitete Huftierart Ectocion, sind während der Heißzeit vor 56 Millionen Jahren geschrumpft, um etwa 20 Prozent. Forscher nennen das Phänomen Verzwergung – vermutlich eine Anpassung an geringeres Nahrungsangebot und größere Hitze. Was wie Paläo-Science-Fiction klingt, könnte sich nun erneut abzeichnen: Studien in Südafrika bei Erdmännchen zeigen, dass auch ihr Nachwuchs in heißen und trockenen Phasen kleiner bleibt. Für große Tierarten wie Elefanten und Nashörner ist Verzwergung keine Überlebensstrategie. Sie leben sehr lange, haben wenige Nachkommen – und bräuchten darum sehr viel mehr Zeit, um sich körperlich anpassen zu können. Aber die haben sie nicht – der menschengemachte Klimawandel verläuft rund zehnmal schneller als während der Heißzeit des PETM. Eine neue Heißzeit wirft ihre Schatten voraus. Wie sie das Leben auf der Erde verändern könnte, untersuchen Forschende an Hitzeperioden der Vergangenheit. Diese Dokumentarreihe begleitet ihre Spurensuche.
- FSK 12