Die Deutschen II
Gustav Stresemann und die Republik
Geschichte (D 2010)
Gustav Stresemann (1878 bis 1929) wurde Reichskanzler, als die junge Weimarer Republik einmal mehr ins Chaos stürzte: im Krisenjahr 1923. Deutschland litt an den Folgen des verlorenen Krieges. Frankreich und Belgien besetzten das Ruhrgebiet, um milliardenschwere Reparationen zu erzwingen und die Kontrolle über die wichtige Industrieregion zu gewinnen. Die Inflation erreichte ihren Höhepunkt. Kommunistische Aufstände drohen von links, die radikale Rechte forderte eine nationale Diktatur. Kanzler zu werden in solcher Zeit, das sei "eigentlich politischer Selbstmord", schrieb Stresemann an seine Frau. "Vernunftrepublikaner" nannte man Köpfe wie ihn. 1918 hatte er den Sturz der Monarchie entschieden abgelehnt. Jetzt aber stellte er sich in den Dienst der Republik – nur sie konnte in seinen Augen die politischen und sozialen Zerwürfnisse im Deutschen Reich friedlich ausgleichen. In etwas mehr als 100 Tagen fällte Stresemann als Kanzler einer Großen Koalition wichtige Entscheidungen zur Rettung der Demokratie. Die Ruhrkrise wurde entschärft, die Inflation beendet, den Aufständen von links und rechts der Boden entzogen. Hitlers Putschversuch vom 9. November 1923 endete im Kugelhagel der Polizei. Als Außenminister für weitere sechs Jahre setzte Stresemann auf Verständigung mit Frankreich und ermöglichte Deutschland die Rückkehr in die Völkergemeinschaft. Er wusste, dass die Deutschen nur mit und nicht gegen Europa bestehen konnten. Doch sein Tod und der Schwarze Freitag, der 1929 die Weltwirtschaftskrise einläutete, markierten den Anfang vom Ende der Republik. Dass er so früh starb, sei "mehr als ein Verlust", es sei ein "Unglück", lautete ein Zitat jener Tage. Und so stellt sich noch heute die Frage, ob Stresemann den Untergang der Demokratie, die Machtübernahme Hitlers, hätte verhindern können, wenn er länger gelebt hätte. Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Jonathan Wright
- FSK 12