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Do, 13.11.2025 | 21:15 - 21:45

Kultur (D 2025)

Ein Leben nach den Beatles: Paul McCartneys Flug in die Freiheit mit seiner Band "Wings" Was soll da noch kommen nach der besten Band aller Zeiten? Na klar: die nächste beste Band aller Zeiten! Ob die "Wings" vielleicht sogar die besseren Beatles waren? Steile These. Paul McCartney ist jedenfalls 29, ehemaliges Kreisch-Opfer einer renitenten Boyband mit Indien-Erfahrung und Kunstschwägerinnen-Trauma, als er im August 1971 einfach noch mal bei Null anfängt: "Wings". Etwas ruhiger, etwas häuslicher, sagen wir nicht: biederer. Aber mit Melodien, die schon so ein bisschen durch die Wände wehen. Nach einem Soloalbum und einer Familienplatte mit Linda will Paul wieder das, was er am besten kann: Band sein. "All I need is a pint a day / If I ever get out of here", singt er später in "Band on the Run" – der Song, mit dem er sich endgültig freispielt von den Beatles. Man will nicht ewig der Gladiator in der Teenie-Arena sein. Mit Linda, Denny 1 (Laine) und Denny 2 (Seiwell) gelingen ihm einige der schönsten Popsongs der 1970er – und der coolste Bond-Song aller Zeiten: "Live and Let Die". Das neue Buch "'Wings'. Die Geschichte einer 'Band on the Run'" (C.H.Beck Verlag) erzählt diese Geschichte als Bilderrausch und Endlos-Strom. Das Destillat aus 42 Interviewstunden. 150 unveröffentlichten Fotos. Wer das braucht? Alle. Denn die "Wings" sind die unterschätzte Supergroup der 1970er. Wer brachte Grandezza in den Pop? Eben. Wer schrieb Melodien, die selbst sieben Dudelsäcke nicht ruinieren konnten ("Mull of Kintyre")? Eben. Paul McCartney konnte es halt. "When you got a job to do, you got to do it well." Danach kam nur noch Pudel-Blick. Die "Wings" aber waren: des Pudels Kern! "Der Reisende" – Uraufführung eines Melodrams über Flucht und Vertreibung in Dresden Am 9.11. hatte – im Rahmen des Gedenkjahres "80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg"- "Der Reisende" mit Ulrich Noethen und Birgit Minichmayr im Kulturpalast Dresden Premiere. Es ist ein Melodram für Sprecher, Solisten, Chor und Dresdner Philharmonie über Antisemitismus, Flucht und Vertreibung. Geschrieben hat es der Komponist Jan Müller-Wieland, u.a. Verfasser der Oper "Nathans Tod" nach George Tabori. Das Melodram basiert auf dem Roman "Der Reisende", der erst 2018 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Geschrieben hat ihn der vergessene jüdische Autor Ulrich Alexander Boschwitz. Boschwitz wurde 1915 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. 1935, während des Nationalsozialismus, emigrierte Boschwitz. Er durchlief eine Odyssee von Schweden nach Norwegen, Frankreich, Luxemburg, Belgien, England und schließlich Sidney. Auf seiner Rückreise nach England befand er sich 1942 auf dem britischen Passagierschiff "Abosso", welches im Atlantik vom deutschen U-Boot U 575 torpediert wurde und unterging. Boschwitz starb im Alter von 27 Jahren. Im Roman erzählt Boschwitz die Geschichte von Otto Silbermann, einem gut situierten Kaufmann, der 1933 zum Verfolgten wird und verzweifelt mit Zügen durch Deutschland reist, das er nicht verlassen darf. Geschrieben 1938, spiegelt das Werk die Geschichte des Autors wider. Noch zu Lebzeiten Boschwitz' waren englische und amerikanische Ausgaben des "Reisenden" erschienen, 1945 auch eine französische Übersetzung. Auf Deutsch erschien das Buch erst 2018, weil Boschwitz' Nichte, die in Israel lebende Reuella Sachaf, dafür gekämpft hatte. Als literarische Sensationsentdeckung wurde "Der Reisende" 2018 gefeiert und inzwischen in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Der "artour"-Beitrag erzählt die Geschichte des Autors und seines so spät entdeckten Romans und verknüpft diese Erzählung mit Aufnahmen von Probe und Premiere in Dresden. Die Wiederentdeckung des Malers Karl Weschke in Gera Ein schwarzer Hund, bullig, eckig, mit glühenden Augen, müde zugleich, alt – steht da im Grau, unter ihm, über ihm, hinter ihm eine Mauer, die den Wind bricht. Karl Weschke verbrachte den größten Teil seines Lebens an der Küste im rauen englischen Cornwall, malte, was er sah – nicht nur mit den Augen, sondern in seiner tiefsten inneren Seele. Seine Bilder hängen bei zahllosen Sammlern, die Tate Gallery war einer seiner großen Förderer. Seine düsteren eigenwilligen Werke sind Vorbild für zahllose zeitgenössische Maler, und doch ist er hierzulande nahezu unbekannt. Die Stadt Gera widmet Karl Weschke nun zum 100. Geburtstag an gleich zwei Orten eine wunderbare Ausstellung, denn Weschke ist neben Otto Dix der zweite große Sohn der Stadt. Die Kunstsammlung war schon zu Lebzeiten Karl Weschkes (1925 – 2005) intensiv um eine Rückkehr des Malers in seine Heimatstadt bemüht. Seine Mutter gab ihn in ein Waisenheim. Als er sieben Jahre alt war, musste sie ihn wieder zurücknehmen. In ihrer 1-Zimmerwohnung musste er das Bett nicht nur mit ihr, sondern auch mit ihren Liebschaften teilen. Er floh vor seinem Zuhause, so oft er konnte, bezeichnete sich selbst als Straßenkind, der Zuflucht bei der Hitlerjugend, dem Arbeitsdienst und bei der Luftwaffe fand. In britischer Kriegsgefangenschaft durfte er Kunstkurse in Cambridge besuchen. Nach Reisen in verschiedene Länder ließ er sich 1955 in Cornwall nieder, wo er zu dem werden konnte, was er wirklich sein wollte: ein Maler. Erst in den 80er Jahren wurde die Kunstwelt auf seine Bilder aufmerksam. Wir gehen mit Holger Peter Saupe, dem Leiter der Kunstsammlung Gera, durch die von ihm kuratierte Ausstellung, sprechen mit ihm über seine Begegnungen mit Karl Weschke in Cornwall und über das Bemühen der Stadt, den Maler zurückzuholen. Die Ausstellung "Karl Weschke. Back in Town" ist bis 15.02.2026 in Gera zu besichtigen. Kulturkalender * "Retrospektive Renate Müller – 60 Jahre Spielzeug und Design", Sonneberg, Deutsches Spielzeugmuseum bis 19.4.2026 * Filmstart am 13.11. – "Formen moderner Erschöpfung", Regie: Sascha Hilpert * Konzert in Halle und Live-Übertragung bei MDR Kultur am 14.11. – "Musik von hier" u.a. mit Betterov, der am 7.11. sein neues Album "Große Kunst" herausgebracht hat Moderation: Thomas Bille

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  • Ein Leben nach den Beatles: Paul McCartneys Flug in die Freiheit mit seiner Band "Wings".
  • "Der Reisende" – Uraufführung eines Melodrams über Flucht und Vertreibung in Dresden.
  • Die Wiederentdeckung des Malers Karl Weschke in Gera.
  • Kulturkalender.
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